Statuten der jüdischen Gemeinde Bösingfeld

Brake, den 4.Mai 1890

 In der am 1.Juni 1879 von dem unterzeichneten Vorstande anberaumten Gemeindeversammlung sind nachfolgende Statuten entworfen und einstimmig angenommen worden.

 § 1

Die Gemeinde wird vertreten durch einen Vorstand, bestehend aus einer Person, welcher aus den stimmberechtigten Mitgliedern, von den stimmberechtigten Mitgliedern auf  drei Jahre gewählt.

 § 2

Stimmberechtigt sind alle, die auch nach dem Staatsgesetze stimmberechtigt sind.

 § 3

Die Wahl des Vorstandes, sowie die Beratung sämtlicher Gemeindeangelegenheiten findet nach Bestimmung des § 4 und 5 des Gesetzes vom 13.März des Jahres statt.

 § 4

Das Amt des Vorstehers ist ein Ehrenamt, gerichtliche Wegegebühren und Transportkosten in Gemeindeangelegenheiten werden vergütet.

 § 5

Der Vorsteher leitet alle Gemeindeangelegenheiten und wird im Verhinderungsfalle durch den Gemeindeältesten vertreten.

 § 6

Die Einladung zur Gemeindeversammlung, so wie die zu Bekanntmachungen der zu beratenden Gegenständen geschieht durch Anschlagen an die Synagogentür, mindestens 8 Tage vor den Versammlungstermin.

 § 7

Zu Reparaturen an dem Synagogen –Gebäude die 20 M übersteigen, ebenso bei Verkäufen von Gemeindegut und beim Abschluss von Mitgliedsbeiträgen ist die Genehmigung der Gemeinde erforderlich.

 § 8

Das Vermögen der Gemeinde sowie die Armenkasse verwaltet der Vorstand und hat der selbe spätestens zum 1. April jeden Jahres die Gemeinderechnung abzulegen.

 § 9

In der Armenkasse fließen die sogenannten Opfergelder und etwagige Strafgelder. Der Vorstand hat das Recht bis zu 10 M. an einzelne Arme zu verabreichen.

 § 10

Die Aufbringung der Gelder zu den Lasten der Synagoge und der Gemeinde geschieht nach Maßgabe des § 3 des Gesetzes vom 13. März des Jahres nach den Klassensteuerfüsse   die zu erhebenen Steuern werden durch Gemeindebeschluss festgesetzt.

 § 11

Der Vorsteher hat das Recht Steuergelder, welche 4 Wochen nach dem Zahltermin nicht gezahlt sind nach vorheriger Erinnerung, auf  Kosten des Säumigen im Verwaltungsweg executivisch beitreiben zu lassen

 § 12

Lässt ein Fremder verheiratet sich in den hiesigen Gemeindebezirk häuslich nieder, so hat er, wenn die Frau auch fremd ist, 40 Mark, ist die Frau hier geboren oder wohnhaft gewesen 20 M in die Gemeindekasse zu zahlen. Das Einkaufsgeld ist 3 Monate nach der Niederlassung zu bezahlen. Dadurch genießt der neu Eingetretene alle Rechte der Gemeinde und hat Anteil an dem Gemeindevermögen.

 § 13

Verzieht ein Gemeindeglied länger als 2 Jahre hiesigen Gemeindebezirk, so ist es als solches gestrichen und verliert alle Rechte der Gemeindeglieder und alle Ansprüche an den Gemeindevermögen. Abwesenheit bis zu zwei Jahren bewährt alle Rechte und Ansprüche.

 § 14

Der Vorsteher hat auf Ordnung und Ruhe während des Gottesdienstes zu achten, fehlende hingegen sind mit einer Strafe von 50 Pfennig zu belegen. Die Strafgebühren fließen in die Armenkasse.

 § 15

Der Vorstand ist verpflichtet, bei Todesfällen in der Gemeinde, die nötigen Anordnungen zur Beerdigung zu treffen.

 § 16

Sollte später die Gemeinde einen Lehrer anstellen wollen, so behält sich dieselbe die näheren Bestimmungen über die Wahl des Lehrers, sowie über die Höhe des Gehaltes vor.

Hochfürstliche lippische Regierung wird ganz ergebenst ersucht vorstehende Gesetze der hiesigen jüdischen Gemeinde zu genehmigen und zu bestätigen.

Bösingfeld den 1. Juni 1879

gez. M. Herzberg
Vorstand