Hilfeersuchen Dr. Schleyers bei der Kreisleitung in Detmold wegen Übergriffen und Boykottaktionen in Bösingfeld am 31.03.1933

Im Vertrauen auf Ihren Gerechtigkeitssinn entschließe ich mich endlich, Sie in dem schweren Kampfe, den wir seit Wochen zu führen haben, um Beistand zu bitten. Fast jeder Tag erneuert und verstärkt die Leiden und Quälerein, denen wir bisher schon ausgesetzt waren.

In der letzten Nacht erschienen SA- Leute vor unserer Haustür und beschmierten- ungeachtet meiner Proteste die Glasfüllungen der Haustür, den Fußboden der Vorflure und die Fliesen vor der Haustreppe mit blutroter Ölfarbe; auf den Fliesen liest man: Weg mit Juda.

Wenn ich recht unterrichtet bin, sollten bei dem Boykott gegen die Juden Personen und Sachen keinen Schaden nehmen. Trotzdem behandelt man mich so; einen Mann, der sich freiwillig in´s Feld gemeldet hat, schwer verwundet wurde und das EK II und EK I erhielt; einen Mann, der stets mit Liebe an seinem Deutschtum hing, seine Kinder in diesem Geiste erzog und nie auch nur die geringste Beziehung zu kommunistischen Ideen gehabt, ja Zeit seines Lebens keiner Partei angehört und seit etwa 10 Jahren auch jede politische Bestätigung vermieden hatte. Die gleiche Behandlung wie mir wiederfuhr auch dem Kaufmann M. Frankenstein, einem braven und geachteten Bürger Bösingfelds, dessen Vater schon das EK aus dem Kriege 70/71 besessen hatte, der selbst das EK II, das Lippische Verdienstkreuz, mehrere Feuerwehrauzeichnungen erworben hat und um die Gemeinde erhebliche Verdienste hat. Auch der steht jedem Marxismus fern.

In schlimmer Lage befindet sich die Familie des in Schutzhaft befindlichen Kaufmanns J. Kleeberg, die, jeden männlichen Schützer entbehrend, in der vergangenen Nacht telefonisch die Polizei zu Hilfe rufen musste.

Welche Perspektiven eröffnen sich dem jüdischen Bürger auf dem Lande, wenn die Kaufleute, wie es heute abend geschah, genötigt werden, Plakate auszuhängen des Inhalts: an Juden werden Waren nicht verabfolgt!

Ich hoffe, dass Sie, sehr geehrter Herr, Verständnis für unsere Lage und den Wunsch und die Möglichkeit haben werden, sie etwas zu erleichtern. Fehlt Ihnen diese Möglichkeit haben werden, sie etwas zu erleichtern. Fehlt Ihnen diese Möglichkeit, so darf ich Sie dringend bitten, mein Schreiben einer geeigneten Stelle weiterreichen zu wollen, vielleicht unter Beilegung des mir vor einigen Tagen unaufgefordert zugegangenen Briefes, den ich in Abschrift beilege.

Quelle: (StA DT L 113 Nr.223)